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20 Jan

beA Haftungsfallen

(noch keine) aktive beA Nutzungspflicht bei Frist wahrenden Schriftsätzen! – beachte BGH Beschluss XZR 60/19

Bisher ergibt sich die Nutzungspflicht des beA aus der Berufsordnung der Rechtsanwälte, § 31a Abs. 6 BRAO. Der Wortlaut der maßgeblichen Vorschrift:

(6) Der Inhaber des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs ist verpflichtet, die für dessen Nutzung erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten sowie Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das besondere elektronische Anwaltspostfach zur Kenntnis zu nehmen.

§ 31a Abs. 6 der BRAO verpflichtet Rechtsanwälte bisher ausschließlich, im beA eingehenden Mitteilungen zur Kenntnis zu nehmen. Dies wird allgemein als passive Nutzungspflicht beschrieben.

Nach allgemeiner Auffassung, beginnt die aktive Nutzungspflicht, d.h. die Pflicht zum Versenden von Nachrichten mit dem beA am 01.01.2022. Nachdem bereits mit § 174 ZPO eine aktive Nutzungspflicht bei Anforderung eines elektronischen Emfangsbekenntnisses, eEB, eingeführt wurde, gibt es nun erste gerichtliche Entscheidungen, die den Rechtsanwälten eine aktive beA Nutzung abverlangen.

Konkret gibt es zwei Entscheidungen, bei denen Rechtsanwälte Schriftsätze an Gerichte nicht fristgemäß eingereicht haben. In beiden Fällen wurde Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt. Begründet wurden die Anträge jeweils damit, dass die Faxgeräte der Gerichte nicht empfangsbereit gewesen seien.

Beide Gerichte haben die Wiedereinsetzung abgelehnt. Begründet wurde dies damit, dass Rechtsanwälte alle zumutbaren Mittel zu nutzen hätten, um Schriftsätze fristgerecht einzureichen. Hierzu zähle auch das besondere elektronische Anwaltspostfach beA. Die Gerichte haben bei ihren Entscheidungen einzig darauf abgestellt, dass das beA eröffnet wurde und betriebsbereit sei.

Update 07.06.2020: BGH Beschluss XZR 60/19 vom 28.04.2020 – keine beA Nutzungspflicht bei Faxstörung

In einem Beschluss vom 28.4.2020, Az – X ZR 60/19 , hat sich der BGH zu den Pflichten eines Anwaltes beim Einreichen Frist wahrender Schriftsätze per Fax geäußtert. Und nebenbei klargestellt, dass bei Störungen der Fax Übermittlung keine Verpflichtung zur Nutzung weiterer Übermittlungswege, beispielsweise des beA, besteht. Die konkreten Pflichten bei Nutzung eines Fax Gerätes hat der BGH wie folgt definiert:

Bei einer Übermittlung per Telefax hat der Versender mit der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung begonnen hat, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss vor 0 Uhr zu rechnen gewesen ist. Das ist in der Regel der Fall, wenn eine Übermittlungszeit von dreißig Sekunden pro Seite angesetzt wird (BGH, Urteil vom 25.November 2004 VIIZR320/03, NJW2005, 678, 679; Beschluss vom 27.September 2018-IXZB67/17, NJW-RR2018, 1398 Rn.21) und der sich daraus ergebende Wert im Hinblick auf die Möglichkeit einer anderweitigen Belegung des Empfangsgeräts sowie schwankende Übertragungsgeschwindigkeiten um einen Sicherheitszuschlag von etwa zwanzig Minuten erhöht wird (BGH, Beschlussvom 17.Mai 2004-IIZB22/03, MMR2004, 667; Beschluss vom 19.Dezember 2017 -XIZB14/17, FamRZ2018, 610 Rn.10).

 

Interessent sind die Ausführungen des BGH zum Thema beA. Auch wenn es sich in dem zitierten Beschluss um das Wiedereinsetzungsverfahren eines Patentanwaltes handelt, hat der BGH zu den Pflichten der Rechtanwälte bzgl. beA Nutzung Stellung bezogen und dabei ausdrück die Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden (vom 29.07.2019 – 4 U 879/19) genannt:

 

Vor diesem Hintergrund erscheint zweifelhaft, ob ein Rechtsanwalt, der sich für den Versand per Telefax entschieden hat, bei technischen Problemen kurz vor Fristablauf einen Übermittlungsversuch über das besondere elektronische Anwaltspostfach unternehmen muss (so aber OLG Dresden,MDR 2020, 306). Dieses Medium steht zwar gemäß §31a Abs.1 BRAO jedem Rechtsanwalt zur Verfügung. Die relativ hohe Zahl an Störungsmeldungen, die für dieses System veröffentlicht werden, begründet aber Zweifel daran, ob es in seiner derzeitigen Form eine höhere Gewähr für eine erfolgreiche Übermittlung kurz vor Fristablauf bietet als ein Telefax-Dienst. So sind auf der Internetseite der Bundesrechtsanwaltskammer (https://bea.brak.de/category/aktuelle-meldungen) für März 2020 insgesamt zwölf Störungsmeldungen veröffentlicht, von denensich vier auf Wartungsarbeiten und acht auf Anmeldeprobleme unbekannten Ursprungs beziehen.

Der BGH bezweifelt eine aktive beA Nutzungpflicht in Fristsachen daher auf Grund der technischen Unzuverlässigkeit. Eine rechtliche eindeutige Aussage lässt der BGH leider vermissen. Sobald die technische Mängel behoben ein ein zuverlässiges beA zur Verfügungen stehen sollte, bleibt offen, ob künftig nicht doch die aktive beA Nutzungspflicht vor Begin der aktiven beA Nutzungspflicht am 01.01.2022 von den Anwälten eingefordert werden kann.

Download: BGH Beschluss AZ: X ZR 60/19

Einreichen von Schriftsätzen mit qualifizierter elektronischer Signatur oder auf sicherem Übermittlunsgweg?

Die wohl größte und folgenschwerste Haftungsfalle bei der Nutzung des beA liegt in der Einreichung von Schriftsätzen ohne qualifizierte elektronische Signatur. Das Einreichen auf einem sicheren Übermittlungsweg nach § 130a ZPO führt dazu, dass der Einreicher ausschließlich durch die Anmeldung am beA erkennbar ist. Hieraus ergeben sich folgenden Probleme:

Erfordernis der Personenidendität

Nach einer aktuellen Entscheidung des ArbG Lübeck wird Personenidendität zwischen Einreicher und Unterzeichner verlangt. Sendet Anwalt A einen nicht qualifiziert signierten Schriftsatz von Anwalt B über sein eigenes Postfach, soll dies laut Entscheidung des ArbG unzulässig sein. Näheres dazu habe wir bereist auf https://www.kanzleisoftware.com/einreichung-von-schriftsaetzen-mit-bea-ueber-sicheren-uebermittlungsweg/ ausgeführt.

Den Kanzleien ist daher zu raten, dass Anwälte nur eigene Schriftsätze einreichen. Bei Vertretung eines Kollegen muss entschieden werden, ob sofern nach Kanzlei internen Regelungen zulässig, der vetretende Kollege den Schriftsatz in eigenem Namen einreicht. Folgeproblem der Rechtsansicht ist, dass zu einer Akte bei Gericht Post von zwei Anwälten einer Kanzlei / Sozietät eingeht. Das Gericht muss nun entscheiden, in welches beA Postfach, Anwalt A oder Anwalt B, die Antwort erfolgt.

Ob die Entscheidung des ArbG Lübeck vor höheren Instanzen Bestand hat, bleibt abzuwarten.

 

Differenzierung  zwischen formallen und materiellen Voraussetzungen

§ 130a ZPO regelt die formellen Voraussetzungen für das elektronische Einreichen von vorbereitenden Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichenden Anträgen und Erklärungen der Parteien sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen.

Nach § 130a Abs. IV ZPO entfällt hierfür, also für ein formell zulässiges Einreichen eines elektronischen Dokumentes, das Erfordernis der qualifizierten elektronischen Signatur, sofern auf einem sicheren Übermittlungsweg wie dem beA eingereicht wird.

Ist jedoch nach materiellem Recht Schriftform vorgeschrieben, kann diese nur durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn eine qualifizierte elektronische Signatur angebracht wird, § 126a BGB. Eine Ersetzung der Schriftform durch Nutzung des beA im materiellen Recht gibt es nicht. Soll mit dem Schriftsatz eine materiell rechtliche Erklärung abgegeben werden (z. B. Kündigungserklärung), für die die Schriftform vorgeschrieben ist, ist zu prüfen, ob die Schriftform durch qualifizierte elektronische Signatur ersetzt werden kann. Die Nutzung des beA kann die Schriftform hier nicht ersetzen.

Es sollte daher bei jedem Schriftsatz geprüft werden, ob materiell rechtliche, Schriftform bedürftige Erklärung abgegeben werden. Auch hilfsweise Anträge oder Erklärungen, die der Schriftform bedürfen, sollten berücksichtigt werden. Ebenso gilt es natürlich auch auf Empfängerseite, sei es bei Gericht oder generischem Anwalt, alle formellen und materiellen Voraussetzungen zu prüfen.

Der sicherste Weg, um beiden o.g. beA Haftungsfallen zu entgehen wäre im übrigen, generell alle per beA einzureichenden Schriftsätze mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen.

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Übersendung von Urkunden / Vollmachen / Originalen auf elektronischem Weg

In einem Urteil des Landgerichtes Bochum um Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahren wurde erneut deutlich, dass beim Einreichen von Schriftsätzen, Dokumenten über den elektronischen Rechtsverkehr, beispielsweise das beA, die weiteren Vorschriften der ZPO zu beachten sind. Im vorliegenden Fall hat die Verfügungsklägerin mit einer Anlage zur Antragsschrift auf elektronischem Wege auch eine Vollmacht mit Unterschrift eingesendet. Die Verfügungsklägerin versäumte jedoch, die Originalvollmacht vorzulegen. Das Erfordernis hierzu ergibt sich aus § 80 ZPO , wonach für die Vollmacht die Schriftform erforderlich ist.  Im Grunde betrifft diese Entscheidung genau jenen Sachverhalt, der bereits im vorhergehende  Fall beschrieben ist. Ein Schriftformerfordernis bleibt ein Schriftformerfordernis, § 126 BGB,  und kann nur gem. § 126a BGB durch eine elektronische Form ersetzt werden. Dabei ist zu beachten, dass die elektronische Signatur des Anwaltes oder des beA nicht die Unterschrift des Mandanten auf der Vollmacht ersetzt. Die beteiligte Kanzlei titelte in ihrem Beitrag zum Urteil übrigens: „Klatsche für den Anwalt: Originalvollmacht und das beA passen laut LG Bochum nicht zusammen“ .

Quelle: http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/bochum/lg_bochum/j2017/I_13_O_136_17_Urteil_20171004.html

Download des Urteiles: Landgericht Bochum, I-13 O 136/17

Im Ergebnis muss eine Kanzlei wegen § 80 ZPO und §§ 126, 126a BGB immer eine schriftliche Vollmacht des Mandanten vorlegen, auch wenn die Vollmacht bereits per beA an das Gericht übermittelt wurde.

Ausnahme: der Mandant erteilt eine Vollmacht in der Art, dass § 80 ZPO und § 126, 126a ZPO gewahrt sind. Dies könnte beispielsweise dadurch erfolgen, dass der Mandant die Vollmacht des Anwaltes mit einer qualifizierten elektronischen Signatur signiert. So lange qualifizierte elektronische Signaturen (Signaturkarten) nicht verbreitet sind, ist dies jedoch eine eher theoretische Möglichkeit.

Empfehlung der BRAK zum Thema Einreichen auf sicherem Übermittlungsweg

Ab dem 31.01.2019 gab es Probleme mit der Ereichbarkeit des beA. Die Probleme dauerten bis zum 06.02.2019 an und äußerten sich in verschiedenen Fehlern. So war zeitweise die Anmeldung am beA nicht möglich, zeitweise der Nachrichtenversand und -empfang eingeschränkt. Interessant ist die Meldung vom 5.02.2019 die die BRAK auf ihrer Internetseite https://bea.brak.de/2019/02/05/update-versand-von-nachrichten-aus-eigenem-postfach-moeglich/ veröffentlich hat:

„Das Versenden von Nachrichten ist möglich. Einschränkungen bestehen bei der Prüfung von qualifizierten elektronischen Signaturen. Ein selbst angemeldeter Rechtsanwalt kann aus dem eigenen Postfach versenden (sicherer Übermittlungsweg i.S.v. § 130a ZPO). Die BRAK empfiehlt daher, bei der Einreichung von Schriftsätzen den sicheren Übermittlungsweg zu nutzen. Die Fehleranalyse dauert an.“

Die BRAK empfiehlt hier ausdrücklich, Schriftsätze ohne Signatur auf dem sicheren Übermittlungsweg einzureichen. Anwältinnen und Anwälte, die dieser Empfehlung folgen, sollten die o.g. Haftungsfallen beachten oder Schriftsätze doch lieber per Fax / Brief versenden.

beA Störung Prüfung qualifizierter elektronischer Signaturen 05.02.2019

 

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